- mon - Ihr Terminkalender ist voll. Sie steckt mitten in den Vorbereitungen fürs Abitur, hat gerade ihre Latein-Facharbeit abgegeben. Und trainiert nebenbei sieben Mal pro Woche Mittelstrecke. Die Straubingerin Regina Schnurrenberger (18) wurde erst im Januar mit neuer persönlicher Hallenbestzeit Bayerische A-Jugendmeisterin auf der 800-Meter-Strecke. Jetzt macht ihr die amerikanische Elite-Universität Harvard Avancen, die wie andere US-Universitäten versucht, auf europäischem Terrain sportliche Leistungsträger als Studenten zu gewinnen. Regina Schnurrenberger hat das nicht aus der Fassung gebracht. Sie hat Bodenhaftung - im Leben und auf der Bahn.
Es hört sich geradezu märchenhaft an: Harvard lockt, immerhin die älteste und eine der führenden Universitäten der USA, gegründet 1636 in Cambridge. Regina Schnurrenberger relativiert. In den letzten Monaten sei sie öfter an Hochglanzprospekte von US-Universitäten gekommen, unter anderem auch von der University of Minnesota. Sie spricht von Headhuntern (Kopfjägern), die potentielle Studenten - ohne Ubertreibung - sogar im Zieleinlauf nationaler und internationaler Wettbewerbe mit Werbematerial von US-Universitäten empfangen. Das Harvard-Material ging ihr über den FTSV, ihren Verein, unaufgefordert zu. Man habe sich wahrscheinlich an Siegerlisten wichtiger Wettkämpfe orientiert, erklärt sie sich die ungewöhnliche Post.
In US-Universitäten hat der Sport, insbesondere der Leistungssport, einen anderen Stellenwert als hierzulande. Er ist eine Prestigesache. Ob die Bedingungen allerdings tatsächlich passen, ob das Studium womöglich teuer kommt, ob es Stipendien gibt, all das müsste man erst einmal im Detail in Erfahrung bringen, lässt sie sich nicht blenden.
Trekking-Tour in Schweden
Regina Schnurrenberger hat andere Pläne, "Erst mal kommt das Abitur", sagt sie. Das möchte die Turmair-Gymnasiastin in den Leistungskursfächern Latein und Biologie und den Grundkursfächern Mathematik und Geschichte möglichst gut über ‚die Bühne bringen. Im August soll es mit Zelt und Rucksack auf Trekkingtour durch Schweden gehen. Auch eine mehrmonatige Auszeit, in der der Sport im Mittelpunkt steht, kann sich die Leichtathletin vorstellen. Studieren will sie Medizin, aber nicht in Harvard. Ein Auslandssemester allerdings kann sie sich durchaus vorstellen.
Sie setzt auf ausgewiesene deutsche Universitäten, die einen Vertrag mit dem Deutschen Sportbund haben. Hier ließen sich Sport und Studium besonders gut unter einen Hut bringen. Sie denkt an Regensburg oder Würzburg. Zudem wohne ihr Trainer in der Nähe. Als Vorteil ihres sportlichen Engagements sieht Regina Schnurrenberger, dass man freie Studienplatzwahl habe, sobald man im Kader vertreten ist. Sie ist im Bayernkader und im C-Kader auf Bundesebene. Sie nennt einige Bayerische Meistertitel ihr eigen, war mehrmals bei Deutschen Meisterschaften unter den Erstplazierten und startete die letzten beiden Jahre bei der Cross-EM in Kroatien beziehungsweise Edinburgh. Sie wurde 23. unter 91 beziehungsweise 20. unter 76 Startern. Mit der Mannschaft schaffte sie die Bronze-Medaille. Sportlichen Laien hilft sie gern auf die Sprünge. Unter Cross versteht man Querfeldeinlauf auf einer Strecke von 4,5 Kilometern.
Sport nicht wegzudenken
Der Sport ist für sie aus ihrem Alltag nicht wegzudenken. "Ich bewege mich gerne", sagt sie, "und ich bin gerne draußen." Sport heiße auch Zusammensein mit Gleichgesinnten. Schon als Achtjährige machte ihr Leichtathletik Spaß. Mit 14 hat sie Knieprobleme bekommen und ist dann vom Springen aufs Laufen umgeschwenkt. Ihre Domäne sind die 1 500 und 3 000 Meter, mitunter auch 800 Meter. Von Anfang an war der FTSV Straubing ihre sportliche Heimat.
Sieben mal pro Woche trainiert sie jeweils eineinhalb Stunden, mal mehr, mal weniger, je nachdem, ob ein Wettkampf ansteht. Mitunter finden Wettbewerbe weit entfernt statt. Dafür sei man schon mal zwei, drei Tage unterwegs. Mit Lehrgängen und Trainingslagern seien die Ferien meist komplett verplant. Nebenher bleibt noch ein wenig Zeit zum Kontrabass-Spielen und für die täglichen Spaziergänge mit dem Hund.
Sportlich peilt Regina Schnurrenberger im Sommer die Jugendweltmeisterschaft im italienischen Grosseto an. "Die letzte Gelegenheit, dass ich in der Jugendklasse starten kann." Für den Herbst hat sie sich die Cross-EM auf Usedom vorgenommen. Eine neuerliche Gelegenheit für US-Universitäten, ihr noch einmal mittels Headhuntern Avancen zu
machen.
Bericht aus Straubinger Tagblatt vom 07. Februar 2004